Wie sich in Europa Parteien und Bewegungen für konservative Familienwerte, gegen Toleranz und Vielfalt und gegen eine progressive Geschlechterpolitik radikalisieren
In Europa formiert sich gerade eine Bewegung für konservative Familienwerte, gegen Toleranz und Vielfalt und gegen eine progressive Geschlechterpolitik. Besonders in Stuttgart, aber auch in Köln, Leipzig, München und Hannover trugen 2014 Anhänger_innen traditioneller Familienwerte, fundamentalistische Christ_innen sowie alte und neue Rechte ihren Zorn gegen die Pläne der Landesregierungen auf die Straße, Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren in der Schule zu unterrichten. Sie mobilisierten tausende besorgte Eltern für ihren Protest. Das Vorbild für die Proteste ist Frankreich, wo unter dem Motto „Demo für alle“ („La Manif Pour Tous“) mehrfach Hundertausende gegen Ehe und Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare auf die Straße gingen. Ebenfalls kein rein nationales Phänomen ist der „Marsch für das Leben“ der radikalen Abtreibungsgegner_innen, der Jahr für Jahr in Berlin stattfindet und immer mehr an Zulauf gewinnt.
Die Wahl zum Europäischen Parlament im Mai 2014 stärkte die „Angstparteien“, also diejenigen, die an die Furcht der Bürger_innen appellieren: vor dem Euro, vor Zuwanderung, vor Kriminalität und vor dem Zerfall der traditionelle Familie. Zu diesen Parteien gehören die United Kingdom Independence Party (UKIP) und Marine Le Pens Front National genauso wie die Dänische Volkspartei (Dansk Folkeparti) und die Alternative für Deutschland (AfD), die mit sieben Abgeordneten ins Europäische Parlament eingezogen ist. Angetreten als „Anti-Euro-Partei“, schärfte sie in den Landtagswahlkämpfen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ihr familien- und geschlechterpolitisches Profil.
Andreas Kemper beschreibt die konservativen geschlechter- und familienpolitischen Netzwerke und Bewegungen in der Europäischen Union, die Kontroversen im EU-Parlament, die Aktivitäten der AfD auf EU-Ebene und ihre familien- und geschlechterpolitischen Entwürfe für Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Kemper schildert eine Partei, die als gut vernetzte Kampagnenplattform fungiert und die trotz des reaktionären Dreiklangs aus Law and Order, Fremdenfeindlichkeit und 50-Jahre-Familienbild zweistellige Wahlergebnisse erhält.
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